Weitere Anmerkungen zur Biomechanik, zur gefundenen Literatur darüber und Definitionsversuche

Wie man sich denken kann, fehlt mir in der Literatur zur Biomechanik so manches, anderes ist nicht schlüssig. Wenn es Ihnen auch so geht, sich Fragen einstellen, auf die Sie keine Antwort gefunden haben – vielleicht finden Sie diese ja hier. Über weitere Anregungen würde ich mich freuen. Insbesondere interessiert mich, was Techniker dazu sagen und was sie besser formulieren könnten als ich.

Darauf weise ich besonders hin, weil mir im Laufe der Jahre, die ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe, aufgefallen ist, dass ich in keinem der Bücher, wo es um den Bewegungsapparat geht, einen Mechanikfachmann als Autor, Koautor oder mindestens Zeichner gefunden habe. Ich habe diesen Fakt bislang nicht in die Öffentlichkeit getragen, halte es aber inzwischen für unumgänglich.

Zum besseren Verständnis dieser Haltung bringe ich hier schon mal vorab folgendes Beispiel:
Nachdem ich zu der Schlussfolgerung gelangt war, dass die angeblichen lateralen Rotatoren uns beim Stehen und Gehen abstützen, wandte ich mich vor Jahren an Anatomen, die Bücher zum Bewegungsapparat heraus gegeben hatten mit der Bitte, sich doch meine auf Erfahrungen beruhenden Überlegungen anzusehen. Einer von ihnen fragte mich dann zu meinem Erstaunen, was denn der Obere Totpunkt beim Gehen sei. Wenige Tage später erzählte ich das einem jungen Mann, der sich in unserer Gegend als Schumacher niedergelassen hatte. Er reagierte prompt: „Das ist doch ganz klar – OT und UT gehört zu unserer Ausbildung, dass muss man beim Herstellen von Schuhen berücksichtigen.“

Hier nun einige Anmerkungen zu verschiedenen Fragen, die mit der Biomechanik der Hüfte mittel– und unmittelbar zusammenhängen:





       Kniestreckung beim Gehen


       Skoliose als Ursache von Rückenschmerzen


       Falsche Bewegungsmuster und falscher Muskeleinsatz führen zu Krankheiten


       Prothesen, Endoprothesen, Muskeln und deren Mitwirkung


       „Beckenschiefstand“ oder zur Seite gedrücktes Becken?


       Muskelfunktionen beim Fahrradfahren


       Stimmen die den Muskeln zugeschriebenen Funktionen?


       Zusammenhang zwischen Hüft– und Kniestreckung sowie –beugung


       Kinderwunsch bei Dysplasiehüfte


       Wie wirken Muskeln – durch Zug oder Druck oder sowohl als auch? Was finden wir bei Wilhelm Roux darüber?


       Gehvermögen und Gangbild schlecht trotz Totalendoprothese


       Positives Trendelenburg–Zeichen – ein neuer Definitionsversuch


       Wirken die vorderen Fasern des M. glutaeus medius an der Hüftbeugung mit?


       Oberer und unterer Totpunkt beim Gehen – ein Definitionsversuch


       „Die Hüfte“ – herausgegeben von Christian Tschauner


       Prellung des großen Gesäßmuskels oder wird der große Gesäßmuskel zum Gehen benötigt?






Kniestreckung beim Gehen

Bei Kniebeschwerden wird untersucht, ob das schmerzende Knie richtig gestreckt ist. Ist das nicht der Fall, dann werden die PatientInnen darauf orientiert, dieses Knie durchzudrücken. Doch das hilft den wenigsten (ich kenne niemanden). Das ist auch nicht verwunderlich, ist doch ein Gelenk nur eine bewegliche Verbindung zwischen zwei festen Körpern, verbunden durch jeweils geeignete Halterungen. Manche Orthopäden und Physiotherapeuten orientieren auch noch auf die vorderen Oberschenkelmuskeln, mit denen man den abgewinkelten Unterschenkel des Spielbeins beim Gehen vorzieht und so das Knie streckt. Das geschieht bei jedem Schritt. Deshalb werden diese Muskeln auch Kniestrecker genannt.

Ganz vergessen wird, wie es scheint, dass sich die Situation in dem Moment ändert, wenn das bisherige Spielbein auf den Boden aufsetzt – die dabei auftretenden Kräfte können die vorderen Oberschenkelmuskeln vermutlich gar nicht abfangen, so dass nunmehr die Streckung von den hinteren Oberschenkelmuskeln übernommen werden muss. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet leuchtet einem das auch ein – die Vierbeiner müssen ihre Knie nicht strecken. Nur wir Zweibeiner müssen das, weil das gesamte Teilkörpergewicht durch das Standbein getragen werden muss. Die Kräfte, die auf das abgewinkelte Knie beziehungsweise dessen Kniescheibe und die Gleitbahn für die Kniescheibe wirken, dürften erheblich sein. Dafür sind diese Organe nicht geschaffen. Wird das Knie richtig gestreckt und damit als Gelenk außer Funktion gesetzt, wirken die Kräfte senkrecht und damit optimal.

Diese Kniestreckung wird mit den hinteren Oberschenkelmuskeln erzeugt. Man nennt sie Hüftstrecker, eine Einschränkung in der Funktionsbezeichnung, die möglicherweise auch zur Einschränkung des Denkens geführt hat (falsche Sprache, falsches Denken). Da ich bislang in der anatomischen Literatur darüber nichts gefunden habe, musste ich sehr lange beobachten und nachdenken, um auf dieses Phänomen zu kommen. Ein telefonisch konsultierter Professor für Anatomie, der entsprechende Lehrbücher veröffentlicht hatte, ließ sich leider auf keine Debatte darüber ein.

Allerdings ist bei Jürgen Weineck in seiner „Sportanatomie“ immerhin ein Hinweis darauf zu finden, dass die Sehnen der hinteren Oberschenkelmuskeln bei der Kniestreckung in der Kniekehle gedehnt werden. Die Schmerzen in der Kniekehle, über die viele von Kniebeschwerden Betroffene klagen, dürften ihren Ursprung in der Verkürzung dieser Sehnen haben, weil sie eben über einen längeren Zeitraum beim Gehen nicht richtig gedehnt worden waren. Bei meinem rechten Knie war das über viele Jahre so, bis es mir bewusst geworden war und ich entsprechend geübt hatte.

Nicht allein die hinteren Oberschenkelmuskeln sind für die Hüft– und Kniestreckung zuständig, sie werden unterstützt vom Streckeranteil des Großen Gesäßmuskels, der in nahezu senkrechter Linie den Verlauf der hinteren Oberschenkelmuskeln bis zum Beckenkamm nach oben aufnimmt. Dieser Fakt ist auch nirgendwo zu finden, aber sehr gut in einer Schwimmhalle bei Männern mit einem guten und kraftvollen Gangbild beobachtbar. Bei Frauen weniger, da das hormonell bedingte Fettpolster die Sicht darauf überdeckt.

Fazit: Da viele Menschen, die Beschwerden in den Knien haben, diese nicht richtig strecken, es auch in der Physiotherapie nicht lernen, gehört dieses Thema zu denen, über die interdisziplinär zwischen Anatomen, Orthopäden, Mechanikern und Betroffenen geforscht werden müsste. Die Einbeziehung von Sport– und Bewegungswissenschaftlern wäre auch günstig.

Vgl. dazu auch BLD06.

[BLD16] (ehemals A/D15) © by Henriette van der Wall, 27. Februar 2012 und 26. August 2018, Alle Rechte vorbehalten





Skoliose als Ursache von Rückenschmerzen

Als eine Ursache für Rückenschmerzen wird die Skoliose genannt, also eine seitliche S-förmige Krümmung der Wirbelsäule. Bei einigen entsteht diese in Kindheit und Jugend, auch können Verletzungen, Lähmungen und Operationsnarben dazu führen. So findet man es auf Ratgeberseiten. Was nicht gesagt wird, ist die einfache Tatsache, dass man sich das auch durch Fehlhaltungen in Beruf, Sport, beim Musizieren mit einer Geige oder auch einfach nur durch (falsche) Gewohnheiten zuziehen kann.

Viele Menschen erkennt man an ihrem Gang und auch an ihrer Körperhaltung schon von weitem oder auch von hinten. Und das eben auch deshalb, weil sie bestimmte vertraute Körperhaltungen haben, wie zum Beispiel ein etwas zu einer Seite gedrücktes Becken. Ja, auch das führt zu einer Skoliose mit all ihren Folgen. Doch wird das eben leider nicht gesagt. Obwohl doch das Seitwärtsdrücken des Beckens so einfach korrigierbar wäre, indem man es bewusst zur anderen Seite drückt.

Auch medizinisch nicht gebildete Menschen können ganz einfach feststellen, ob sie eine Skoliose haben beziehungsweise das Becken zu einer Seite drücken. Das geht wie folgt: Wenn das zutrifft, sind die Chancen groß, die Skoliose mit ihren unangenehmen Folgen zu vermindern. Weiteres dazu entnehmen Sie bitte dem Kommentar K15 „Beckenschiefstand“. Die Übungen, auf die dort verwiesen wird, sind bei Skoliose ebenfalls hilfreich.

[BLD15] (ehemals E18) © by Henriette van der Wall, 27. Dezember 2010. Alle Rechte vorbehalten






Falsche Bewegungsmuster und falscher Muskeleinsatz führen zu Krankheiten

Hat man Schmerzen in der Hüfte, geht man zum Arzt. Sind sie stärker und kaum noch auszuhalten, wird man krankgeschrieben und zur Physiotherapie geschickt.

So weit, so gut. Wirklich? Müsste nicht eigentlich hier überprüft werden, inwieweit falsche Bewegungsmuster und daraus resultierender falscher Muskeleinsatz, einige überforderte und andere unterforderte Muskeln die Ursachen für die Probleme sind? Dieser Gedanke wurde weder mir noch meinen KursteilnehmerInnen gegenüber jemals erwähnt. Und doch träfe genau das bei vielen das Wesen der Sache am besten.

Kein Mensch käme auf die Idee, einem Jugendlichen zu sagen, er sei krank, wenn man bei ihm nach mehrjährigem Geigeüben feststellt, er sei talentiert, doch hätte leider mit einer falschen Technik geübt, so dass die Muskeln, Sehnen und Bänder der Hände den Virtuositätsanforderungen an sein Fach nicht entsprechen können. Hat dieser junge Mensch Glück, dann findet er einen Lehrer, der ihm helfen kann das „Gebäude falsche Bewegungsmuster“ abzureißen und ein neues „Gebäude richtige Bewegungsmuster“ aufzubauen. Übt er mit der falschen Technik weiter, dann besteht die Gefahr, davon krank zu werden. Es gibt nicht wenige Musiker, die deshalb ihren Beruf aufgeben mussten.

Ähnlich verhält es sich mit den Muskeln im Gesäß– und Oberschenkelbereich. Erworbene und gefestigte falsche Bewegungsmuster und falscher Muskeleinsatz führen im Lauf der Zeit zu Schmerzen und damit zu Krankheiten. Deshalb wäre es wichtig, vor der Festlegung von Therapien mit der Aufzeichnung und Auswertung der Bewegungsmuster sowie des Muskeleinsatzes und einem Krafttest der Muskulatur zu beginnen. Dann hätte man die Chance, durch richtiges Training die Krankheit allmählich überwinden zu können. Noch besser wäre es, man würde auf diesem Gebiet mehr für die Prävention tun.

[BLD14] (ehemals A/D12) © by Henriette van der Wall, 06. Februar 2010, Alle Rechte vorbehalten






Prothesen, Endoprothesen, Muskeln und deren Mitwirkung

In der Berliner Zeitung 1) wurde das Berufsbild des Orthopädietechnikers vorgestellt. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er medizinisches Wissen haben und jeden Muskel kennen muss. Das kann man sich vorstellen. Fragen muss man allerdings, was nützt es, wenn man die Muskeln kennt, aber über ihre Funktion falsch unterrichtet wird. Nach dem, was mir einige Betroffene mitteilen, relativ wenig. Wenn man mit Prothese oder Endoprothese nicht bei jeder Bewegung auch die Muskeln einsetzt, die für diese Bewegung zuständig sind, dann treten Belastungen an Stellen auf, die dafür nicht ausgerichtet sind. Der Ersatz kann nicht optimal funktionieren, muss oftmals sogar vor der Zeit ausgetauscht werden.

Bis dahin ist das Ganze noch nachvollziehbar. Für mich und Betroffene nicht mehr nachvollziehbar ist, dass man solche Probleme nicht zum Anlass nimmt, die Lehrmeinung auf Fehler abzuklopfen. Statt dessen gibt es zwei Varianten des Umgangs damit:
  1. Derartige Probleme werden individualisiert und man behauptet, dass man das nicht objektivieren könne.
    Eine solche Begründung ist unvereinbar mit der Tatsache, dass auch in der Medizin auf vielen Gebieten ständig neue Forschungsergebnisse präsentiert werden, wonach man immer mehr Krankheiten besser diagnostizieren und auch therapieren kann. Das ist nichts anderes als ein ständiger Prozess der Objektivierung.

  2. Vom Bundesministerium für Bildung und forschung (BMBF) wird seit ein paar Jahren ein Projekt gefördert, bei dem beim Einsatz einer Endoprothese Kraftmessgeräte mit eingesetzt werden, die die beim Gehen auftretenden Kräfte misst und die Werte sendet.
    Ziel sei wohl, bessere Endoprothesen zu bauen. Meiner Meinung nach wird das Pferd damit beim Schwanz aufgezät!
Das heißt, es wird auf jeden Fall zuerst operiert und in den natürlichen Prozess eingegriffen. Obwohl man doch seit Jahren so viel Wesens darum macht, von der Natur zu lernen und immer wieder tolle Ergebnisse produziert, fragt man sich als Betroffene schon, warum das beim Gehen nicht der Fall ist, also die Mechanik des Gehens nicht untersucht wird. In der Technik, also bei Autos und flugzeugen, macht man das doch auch.
Alle Leute, bekannte und weniger Bekannte, die ich darauf anspreche, zeigen sich sehr verwundert ob meiner Frage: Sie meinen, die Antwort läge doch auf der Hand: Operationen bringen Geld! Das Leid der Patienten kann man nicht messen, will man auch gar nicht.

Anstatt auch beim Bewegungsapparat die bekannten Probleme als Anlass zu nehmen, nach Objektivierungen zu suchen, wird dort individualisiert. Ein großes Problem ist zum Beispiel, dass Endoprothesen sich bereits nach wenigen Jahren lockern, weil der Knochen, in den diese Endoprothese eingesetzt worden war, an Festigkeit verloren hat. Das bedeutet, dass der Stoffwechsel im Knochen nicht richtig funktioniert hat. Eine Ursache dafür ist die zu geringe Mitwirkung von Muskeln, deren Tätigkeit den Stoffwechsel im Knochen stimuliert. Diese Problematik wird vermutlich in abgewandelter Form auch für Prothesen eine Rolle spielen.

1) Berliner Zeitung vom 17./18. Oktober 2009, S. 81

[BLD13] (ehemals A/D11) © by Henriette van der Wall, 24. November 2009 und 26. August 2018, Alle Rechte vorbehalten





„Beckenschiefstand“ oder zur Seite gedrücktes Becken?

Manchen Patienten wird vom Orthopäden ein sogenannter Beckenschiefstand diagnostiziert. Und das war’s dann, weil: Dieser Begriff suggeriert, dass dieser „Beckenschiefstand“ etwas Unabänderliches und Hinzunehmendes sei. Mit all seinen Folgen, wie Wirbelsäulenverkrümmung, kürzer scheinendes Bein auf einer Seite, Fehlbelastungen von Muskeln, Sehnen und Bändern und daraus folgenden Beschwerden in Rücken, Hüfte, Knien.

Bei manchen mag diese falsche Körperhaltung ja so manifest sein, dass man sie hinnehmen muss. Bevor man das aber so sagt, sollte man erst einmal versuchen, ob man es nicht doch ändern kann. Begründung: Dieser „Beckenschiefstand“ wurde in den meisten Fällen durch falsche Körperhaltungen beim Stehen, Gehen, Sitzen und Liegen erworben. Unmerklich, über Jahre oder Jahrzehnte. Gäbe es keine ungünstigen Folgen, wie die oben genannten, dann könnte man das ja so lassen. Treten aber dann ganz allmählich immer stärker spürbar Schmerzen und andere Beschwerden auf, stolpert man gar über seine eigenen Beine, spätestens dann muss man gegensteuern! Ja, steuern! Da diese falsche Körperhaltung keine akute Lebensgefahr darstellt, hat sich die neuromuskuläre Steuerung daran gewöhnt und für richtig befunden, wie grundsätzlich bei allen Bewegungsmustern, wenn sie keine Beschwerden verursachen.

Also muss die neuromuskuläre Steuerung trainiert werden, um durch eine Vielzahl von Impulsen wieder richtige Körperhaltungen und Bewegungsabläufe zu implementieren. Das geschieht vor allem durch bewusstes Drücken des Beckens auf die andere Seite mittels der kleinen Muskeln, die zwischen Beckenknochen und großem Gesäßmuskel liegen, die von mir als „kleine innere Glutaeen“ bezeichnet werden. Dafür gibt es einige Übungen, die ihren Praxistest bestanden haben. Parallel dazu müssen einige inzwischen verkürzte Muskeln gedehnt werden, wobei es sich insbesondere um die seitlichen Rumpf– und Beckenmuskeln handelt.

Die beiden Übungen dazu, die Sie ohne persönliche Anleitung ausführen können, finden Sie auf meiner Seite    Hüft–, Rücken–, Knie– und Gangschule   unter „Übungen“, dort die Nummern 13 und 14 . Möchten Sie weitere Übungen erlernen sowie Hinweise zum Körpergefühl bekommen, dann müssten Sie in einem meiner Kurse vorbeischauen, deren Ort und Zeit Sie ebenfalls dort finden.

[BLD12] (ehemals E15) © by Henriette van der Wall, 20. Oktober und 09. Dezember 2009, Alle Rechte vorbehalten






Muskelfunktionen beim Fahrradfahren

In seinem Buch „Sportanatomie“ erläutert Weineck Muskelfunktionen bei einigen ausgewählten Bewegungsarten, so auch beim Fahrradfahren.

Zitat Weineck:
„Die Beinmuskulatur ist der Hauptträger der Belastung beim Fahrradfahren. Das Herabdrücken des Pedals erfolgt über die Hüft– und vor allem über die Kniestrecker bzw. Fußgelenksbeuger; für das Hochziehen des Pedals sorgen dann antagonistisch die Hüft– und Kniebeuger bzw. Fußgelenkextensoren.“

Auf der von ihm beigefügten Grafik sind der Große Gesäßmuskel, der viergeteilte Muskel, die rückwärtigen Oberschenkelmuskeln sowie die Wadenmuskeln dargestellt.



Quelle: Weineck, J.: Sportanatomie, 16. Auflage, Spitta Verlag GmbH & Co. KG, 2003, Seite 267

Hier mein Kommentar dazu:
Bevor man sich mit den Funktionen von Gesäß- und Oberschenkelmuskeln beim Fahrradfahren beschäftigt, muss man sich Klarheit über die Bewegungsrichtungen der Beine beim Antrieb des Fahrrades, deren Änderungen sowie die daraus resultierenden Totpunkte verschaffen.

Grundsätzlich wirkt bei Bewegungen, die mit der Erde fest verbunden sind, die Schwerkraft. Man verändert bei jeder Bewegung die Distanz zum Erdmittelpunkt – Näherung und Entfernung wechseln sich miteinander ab. Jeweils der Punkt, wo sich die Bewegungsrichtung ändert, wird als Totpunkt bezeichnet. Der jeweils am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernte Totpunkt wird als Oberer Totpunkt OT bezeichnet, der am geringsten vom Erdmittelpunkt entfernte Totpunkt wird als Unterer Totpunkt UT bezeichnet. Beide Totpunkte liegen auf der Senkrechten zum Erdmittelpunkt.

Darüber hinaus gibt es beim Fahrradantrieb zwei weitere Totpunkte. Diese resultieren daraus, dass man mit dem Antriebspedal bei jeder Umdrehung zweimal die Bewegungsrichtung wechselt – einmal weg vom Körper, einmal hin zum Körper. Auch hier gilt: Jeweils der Punkt, wo sich die Bewegungsrichtung ändert, wird als Totpunkt bezeichnet. Diese Totpunkte liegen jeweils auf der Geraden, die den Drehpunkt der Krafterzeugung im Hüftgelenk mit dem Drehpunkt der Kraftübertragung im Antriebsrad miteinander verbindet. Der vom Körper am weitesten entfernte Punkt ist der Untere Totpunkt der Krafterzeugung UT K, der vom Körper am geringsten entfernte Punkt ist der Obere Totpunkt der Krafterzeugung OT K.

Beim Antreten wird das Pedal vom Körper weggedrückt. Wenn es den vom Drehpunkt der Krafterzeugung im Hüftgelenk am weitesten entfernten Punkt erreicht hat, muss auf Grund der Kreisbewegung die Bewegungsrichtung geändert und das Pedal wieder hin zum Körper bewegt werden. Wenn das Pedal den vom Drehpunkt der Krafterzeugung im Hüftgelenk am geringsten entfernten Punkt erreicht hat, wird die Bewegungsrichtung wieder geändert und das Pedal vom Körper weggedrückt.

Der Untere Totpunkt der Krafterzeugung UT K wird durch den Schwung überwunden, den das Antriebsbein durch das Wegdrücken des Pedals erzeugt hat. Dieser Schwung reicht oftmals aus, um die Strecke zwischen UT K und Unterem Totpunkt der Gravitation UT G zu überwinden. Reicht der Schwung nicht aus, dann ziehen die rückwärtigen Beinmuskeln das Pedal bis zum UT G. Der Untere Totpunkt UT G wird ebenfalls durch Schwung überwunden. Nach Überwinden des UT G wird die Bewegungsrichtung geändert, das bisherige Antriebsbein wird „Ruhebein“, das bisherige „Ruhebein“ wird Antriebsbein. Auf der Seite des nunmehrigen Antriebsbeins drücken die kleinen inneren Gesäßmuskeln das Pedal bis zum UT K, der Kreislauf wird auf der anderen Seite durch Wegdrücken des Pedals vom Oberen Totpunk der Gravitation OT G fortgesetzt.

Die Pedale für die beiden Beine sind so angebracht, dass Unterer und Oberer Totpunkt jeweils wechselseitig zur gleichen Zeit erreicht werden. Das heißt, zur selben Zeit, in der rechts die jeweiligen Unteren Totpunkte erreicht werden, werden links die jeweiligen Oberen Totpunkte erreicht und umgekehrt. An den jeweiligen Totpunkten arbeitet kein Muskel, sondern dort wechseln sich die Muskeln entsprechend ihrer Funktion ab. Überwunden werden diese Totpunkte durch Schwung.

Hat man Pedal und Schuhwerk miteinander fest verbunden, dann ändert sich der Muskeleinsatz beim Antrieb, indem gleichzeitig mit dem Wegdrücken des Pedals durch die kleinen inneren Gesäßmuskeln auf der Seite des Antriebsbeins die Hüftbeuger des „Ruhebeins“ das Pedal auf der Seite des „Ruhebeins“ hochziehen - siehe dazu auch die entsprechenden Abbildungen.

Wie man aus dieser Darstellung sowie den folgenden Abbildungen erkennen kann, sind die Oberen und Unteren Totpunkte entscheidend für den Muskeleinsatz und die Krafterzeugung. Deshalb soll hier auch auf die für Geschicklichkeitsübungen verwendeten Einräder und auf Liegeräder eingegangen werden. Beim Einrad überlagern sich jeweils die Oberen und Unteren Totpunkte der Schwerkraft und der Krafterzeugung. Um sie zu überwinden, benötigt man deshalb mehr Schwung als beim Fahren mit einem zweirädrigen Standardrad. Das Fahren damit kostet deshalb mehr Mühe und erfordert einige Geschicklichkeit. Das kann man ungefähr durch Fahren im Stehen auf einem Standardrad nachvollziehen.

Beim Liegerad verhält es sich genau umgekehrt. Da sind die Totpunkte der Gravitation und Krafterzeugung weiter voneinander entfernt, da der Winkel zwischen den beiden Geraden wesentlich größer ist. Die Gravitationsgerade ist senkrecht zum Erdmittelpunkt, die Krafterzeugungs- und –übertragungsgerade ist wesentlich flacher als beim Standardrad. Dadurch verändern sich die mechanischen Verhältnisse und damit der Krafteinsatz. Die Oberen und Unteren Totpunkte der Gravitation werden nicht mehr durch Schwung, sondern durch Muskelkraft überwunden. Daraus resultiert vermutlich auch das mühelose Erreichen von höheren Geschwindigkeiten als mit dem Standardrad bei gleichem Krafteinsatz.

Was den Großen Gesäßmuskel betrifft, so wirkt dieser nach meinen Beobachtungen beim Fahrradfahren nicht mit. Dafür wirkt eine Muskelgruppe mit, der auch von Weineck nur sehr geringe Aufmerksamkeit gezollt wird: die tief liegenden Muskeln, die ich kleine innere Glutaeen (kiG) nenne. Ihre lateinischen Bezeichnungen sind: Mm. obturator internus, obturator externus, gemellus superior, gemellus inferior, quadratus femoris. Diese Muskelgruppe drückt das Pedal vom Oberen Totpunkt G bis zum Unteren Totpunkt K. Deshalb kann man mit Fahrradfahren diese Muskelgruppe trainieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Muskelgruppe durch eine Kombination aus ausreichender Streckenlänge, einem relativ hohen zu überwindenden Widerstand sowie einem relativ hohen Tempo ausreichend gefordert wird. Das gelingt mir bei meinen Stadtfahrten leider nur sehr selten.

Wiederholte Beobachtungen ergaben die in der Tabelle dargestellten Erkenntnisse über den Muskeleinsatz beim Fahren mit einem Standardrad. Ergänzend dazu wurde auch der Muskeleinsatz beim Fahren mit einem Fahrrad erfasst, das Spezialvorrichtungen zur Befestigung der Schuhe hat.

Auf den folgenden, damit zusammenhängenden Abbildungen wurde der gesamte Bewegungsablauf bei einer Kreisbewegung mit dem Pedal auf nur einer, der linken Seite, ausgewählt. Auf der rechten Seite befindet sich das Pedal dann immer auf der gegenüber liegenden Seite der durch den Drehpunkt führenden Geraden auf dem Antriebsrad – welche Muskeln dort jeweils wirken, ist damit leicht ableitbar.

Übersicht über die Abbildungen

LNBewegungsphaseBewegungsrichtungBefestigung des Schuhs am PedalMuskel
  1 Beginn der Bewegung beim Oberen Totpunkt GKeine Ohne Bedeutung Keiner
  2 Wegdrücken des Pedals bis zum Unteren Totpunkt KVom Körper weg Ohne Bedeutung Kleine innere Glutaeen (kiG)
  3 Pedal befindet sich auf dem Unteren Totpunkt KKeine Ohne Bedeutung Keiner
  4 Ziehen des Pedals vom Unteren Totpunkt K zum Unteren Totpunkt GZum Körper hin Ohne Bedeutung Rückwärtige Beinmuskulatur
  5 Pedal befindet sich auf dem Unteren Totpunkt GKeine Ohne Bedeutung Keiner
  6 Bewegung des Pedals bis zum Oberen Totpunkt KZum Körper hin Ohne Befestigung Keiner von diesem Bein, sondern die kleinen inneren Glutaeen (kiG) der Gegenseite drücken das dortige Pedal zum UT K
  7 Pedal befindet sich auf dem Oberen Totpunkt KKeine Ohne Bedeutung Keiner
  8 Bewegung des Pedals vom Oberen Totpunkt K zum Oberen Totpunkt GVom Körper weg Ohne Bedeutung Keiner von diesem Bein, rückwärtige Beinmuskeln der Gegenseite ziehen das dortige Pedal zum UT K
  9 Der neue Kreislauf beginnt ab dem Oberen Totpunkt GKeine Ohne Bedeutung Keiner
10 Bewegung des Pedals bis zum Oberen Totpunkt KZum Körper hin Mit Befestigung Hüftbeuger dieser Seite ziehen das Pedal zum OT K, kiG der Gegenseite drücken das dortige Pedal zum UT K
11 Bewegung des Pedals vom Oberen Totpunkt K zum Oberen Totpunkt GVom Körper weg Mit Befestigung Hüftbeuger dieser Seite ziehen das Pedal zum OT G, die rückwärtigen Beinmuskeln der Gegenseite ziehen das dortige Pedal zum UT G


Diesen Text können Sie    hier   als pdf-Datei herunterladen.
Die dazugehörigen Abbildungen können Sie    hier   als pdf-Datei herunterladen.

[BLD11] (ehemals A/D9) © by Henriette van der Wall, 09. September und 06. Oktober 2009, Alle Rechte vorbehalten






Stimmen die den Muskeln zugeschriebenen Funktionen?

Nachdem ich bereits für mich und meine Ärztin spürbar Verbesserungen in der Stützmuskulatur erzielt hatte, wollte ich wissen, welche Muskeln ich eigentlich trainierte. Dem Verkäufer in der medizinischen Buchhandlung in der Berliner Friedrichstraße sei hier gedankt – er hörte mir aufmerksam zu und empfahl mir den „Taschenatlas für Anatomie, Teil Bewegungsapparat“, herausgegeben von Werner Platzer. Dieses Buch weist gegenüber den anderen eine Besonderheit insofern auf, als es neben der natürlichen Darstellung der Muskeln, ihrer Ursprünge, Verläufe und Ansätze durch schematische Darstellungen aufzeigt, welche Muskeln nach Lehrmeinung bei welchen Bewegungen mitwirken und welchen Rang sie dabei haben. Auch kann man Ursprungs– und Ansatzflächen der Muskeln dadurch sehr gut erkennen.

Dadurch wurde mir relativ schnell bewusst, dass ich durch den von mir gefundenen Übungsansatz und die daraus entwickelte Vielzahl von Übungen vor allem eine Muskelgruppe trainierte, die nach vorherrschender Lehrmeinung für das Abstützen des Teilkörpers beim Einbeinstand gar nicht zuständig sei. Während ich an der Studie arbeitete bat ich deshalb einen Bekannten, der Maschinenbau studiert hatte, sich dieses Buch mal anzusehen, in der Hoffnung, er könnte mir bei der Beantwortung meiner Frage behilflich sein.

Zur Beschäftigung mit dem von mir aufgeworfenen Thema sah er sich aus Zeitgründen nicht in der Lage, machte mich jedoch darauf aufmerksam, dass einige Muskeln die ihnen zugedachte Funktion auf Grund ihrer Lage zum Drehpunkt nicht ausführen könnten. Ich sah mich daraufhin veranlasst, alle dargestellten Funktionen näher zu untersuchen. Ergebnis: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass einige Muskeln im Gesäß– und Oberschenkelbereich nicht die ihnen zugedachten Funktionen erfüllen, sie dafür aber andere haben. Deshalb sollte man alle vermuteten Muskelfunktionen einer näheren Prüfung unterziehen. Die Ergebnisse meiner Beschäftigung mit diesem Buch sowie mehreren Skeletten stelle ich hiermit zur Diskussion – sie stehen in Auszügen als    pdf-Datei    zur Verfügung.

[BLD10] (ehemals A/D8) © by Henriette van der Wall, 20. August 2009 und 27. August 2018, Alle Rechte vorbehalten






Zusammenhang zwischen Hüft– und Kniestreckung sowie –beugung

Wenn jemand das Knie nicht richtig durchstreckt, sagen Ärzte und Physiotherapeuten, man solle das Knie durchdrücken. Diese Orientierung ist wenig hilfreich, denn:

Beim Gehen ist die Kniestreckung abhängig von der Hüftstreckung.
Auf der jeweiligen Standbeinseite bestimmt die Größe des Winkels zwischen der Vertikalachse des Körpers und der Hüfte die Größe des Winkels zwischen Oberschenkel und Unterschenkel im Kniegelenk. Anders gesagt:

Wenn die Hüfte auf der Seite des Standbeines von dem Moment, wo der Obere Totpunkt erreicht wird, bis zum Abheben des Standbeines vom Boden gestreckt wird, dann wird auch das Knie gestreckt – siehe Abbildung 1.



Wenn die Hüfte auf der Seite des Standbeines von dem Moment, wo der Obere Totpunkt erreicht wird, bis zum Abheben des Standbeines vom Boden nicht gestreckt wird, dann kann sich das Knie auch nicht strecken – siehe Abbildung 2.



Welche unterschiedlichen Varianten des richtigen und vor allem falschen Gehens sich daraus ergeben, können Sie in einem Vortrag mit anschließender Diskussion erfahren. Diesen Artikel können Sie sich    hier   als pdf-Datei herunterladen.

Vgl. dazu auch BLD11.

Hab ich Ihr Interesse geweckt, dann schicken Sie mir doch einfach eine    eMail   , alles weitere können wir dann klären.

[BLD09] (ehemals A/D6) © by Henriette van der Wall, 30. Juli 2009, Alle Rechte vorbehalten

Ergänzend dazu möchte ich anmerken, dass die von Hüft– und Kniestreckung in den    Katalog der Forschungsaufgaben   aufgenommen werden muss, damit endlich die Ärzte und Physiotherapeuten als erstes Muskeln und Faszien genau untersuchen und trainieren, bevor die Patienten und Patientinnen verunsichert werden.

© by Henriette van der Wall, 22. November 2018, Alle Rechte vorbehalten





Kinderwunsch bei Dysplasiehüfte

Bei Vorliegen einer Dysplasiehüfte heißt es, man sollte sich den Kinderwunsch möglichst verkneifen. Wenn, dann dürfe man höchstens ein Kind austragen, da die Hüfte durch die Schwangerschaft zu sehr belastet würde.

Meine Antwort darauf lautet:
Das mag für manche Arten von Dysplasiehüfte zutreffen, so pauschal gesagt ist es falsch. Wenn das positive Trendelenburg–Zeichen neben dem Röntgenbefund ausschlaggebend für diese Orientierung ist, dann trifft diese pauschale Aussage nicht zu, denn dann kommt es einzig darauf an, ob es gelingt, die Gesäß– und Oberschenkelmuskulatur vor der Schwangerschaft so zu trainieren, dass bei beiden Beinen ein unauffälliger Einbeinstand möglich, also kein positives Trendelenburg–Zeichen erkennbar ist.

Wenn einem das gelingt, dann haben die tiefliegenden Muskeln, ich nenne sie die kleinen inneren Glutaeen, die ausreichende Kraft, dass sie durchspannen und dabei den für die anderen Gesäßmuskeln sowie Bein– und Rückenmuskeln ausreichenden Spannungsimpuls geben, wodurch Hüft– und Kniegelenk des Standbeines nur minimal belastet werden.

Ausführungen über diesen Zusammenhang siehe auf dieser Website unter
„Kommentare zu Auffassungen in der Literatur und Definitionsversuche¸
K4: Positives Trendelenburg–Zeichen – ein neuer Definitionsversuch,
Variante 2 = Definition des Trendelenburg–Zeichens nach meiner Definition des Einbeinstandes vom 20. Juli 2009“.

[BLD08] (ehemals E12) © by Henriette van der Wall, 23. Juli 2009, Alle Rechte vorbehalten






Wie wirken Muskeln – durch Zug oder Druck oder sowohl als auch?
              Was finden wir bei Wilhelm Roux darüber?

Immer wieder begegnet mir die Auffassung, dass Muskeln nur durch Zug wirken können. Dabei beruft man sich auf Anatomen des 19. Jahrhunderts, wie Rauber und Roux. Nun gibt es sicherlich kaum eine wissenschaftliche Disziplin, wo man nicht mindestens alle paar Jahre zu neuen Erkenntnissen gelangt, die sogar nicht selten die zuvor getroffenen Annahmen und Schlussfolgerungen widerlegten. Warum sollte es also ausgerechnet auf dem Gebiet der Biomechanik des Menschen anders sein, zumal gerade erst in den letzten Jahrzehnten der Lehrmeister Natur wieder mehr Beachtung fand? Der Zweifel an der überlieferten Auffassung, dass die Muskeln nur durch Zug wirkten, ist also mehr als angebracht. Das wird unterstrichen durch die praktischen Erfahrungen, dass bei vielen Patienten durch Endoprothesen lediglich die schmerzbedingte Abweichung des Gangbildes vom Normalen, nicht jedoch eine wesentliche Verbesserung des Gangbildes erreicht wird. Auch Physiotherapeuten bestätigen, wie wenig ihre Bemühungen trotz disziplinierter Mitwirkung der Patienten oftmals gebracht haben.

Es ist also angebracht, den Lehrsatz „Muskeln wirken nur durch Zug“ anzuzweifeln und einer gründlichen interdisziplinären Überprüfung von Medizinern und Mechanikern zu unterziehen!!

Der erste Schritt wäre das bessere Beobachten dessen, was man selbst tut und die anderen lehrt. Bei einer meiner vielen Physiotherapiestunden lernte ich die Übung „Hüftgelenk lockern“ kennen. Dabei legt man sich auf den Rücken, die Füße ca. hüftbreit auseinander und schiebt jeweils ein gestrecktes Bein in Richtung Fuß. Diese Übung kann man auch in der „Hüftschule“ *) nachlesen.

Nun frage ich alle Physiotherapeuten und Orthopäden, warum sie etwas empfehlen, was angeblich nicht möglich ist, nämlich das Bein aus dem Hüftgelenk hinaus zu drücken. Denn nichts anderes geschieht, wenn man das Bein fußwärts schiebt. Über die möglichen Ursachen dafür möchte ich mich hier nicht auslassen, vielleicht mal an anderer Stelle, da das nicht der einzige Widerspruch ist, den ich gefunden habe. Ein anderes Beispiel kennt fast jeder: Rausdrücken der Finger in Richtung Fingerspitzen. Dabei kann man deutlich erkennen, dass die Finger je nach Druckintensität funktionell länger oder kürzer werden. Auch bei Bodybuildern kann man das Vergrößern der Muskelbäuche sehen ohne dass auch nur ein Knochen bewegt würde.
Fazit zu Muskelfunktionen:
Muskeln wirken nicht nur durch Zug, sondern auch durch Druck!

Da die Verfasserin darauf hingewiesen wurde, bei Wilhelm Roux **) sei nachlesbar, dass Muskeln nur durch Zug wirken, hat sie sich die Originalliteratur in Berliner Bibliotheken angesehen. Alle Bemerkungen von Roux zu Muskeln, deren Zug– und Druckwirkungen, sowie von Barfurth, der einen sehr ausführlichen Nachruf geschrieben hat, sind überschaubar zusammengestellt und mit Kommentaren versehen.

Fazit:
Wie die Übersicht zeigt, ist nirgendwo in den Schriften von Roux auch nur annähernd der Zusammenhang zwischen Muskeltätigkeit und Bewegung dargelegt worden. Das wäre auch insofern verwunderlich, ging es Wilhelm Roux doch in der ersten Phase seines wissenschaftlichen Wirkens, die von Barfurth bis ca. 1885 datiert wird, vor allem um die Erkenntnis der Entwicklungsmechanik und der funktionellen Anpassung des Knochens während der Ontogenese sowie an unterschiedliche Belastungsarten und –höhen bei Tieren und Menschen. In der darauf folgenden Phase widmete er sich insbesondere der Entwicklungsmechanik des Embryos.

Die Synopse kann man sich   hier    als pdf-Datei herunterladen.
*) Georg Haupt, Dr. med. Thomas Horstmann, 2002: Hüftschule – Das Erfolgsprogramm für Jung und Alt; Verlag Karl Hofmann, 2002
**) van der Wall, Henriette, 2010: Wirken Muskeln durch Zug oder Druck oder beides – Synopse der Aussagen von Wilhelm Roux über die Zusammenhänge von Muskeln, Zug und Druck, 13.04.2010
[BLD07] (ehemals A/D5) © by Henriette van der Wall, 22. Juli 2009, 22. Januar 2010, 13. April 2010 und 14. Februar 2012. Alle Rechte vorbehalten





Gehvermögen und Gangbild schlecht trotz Totalendoprothese

„Mit der Endoprothese können Sie dann wieder richtig gehen!“
So oder ähnlich klingen Versprechungen vor Hüft– und Knie–OP's. Mit Videoaufnahmen vor und nach OP’s versucht man das dann auch zu belegen. Hat man hohen Leidensdruck, sprich kann nachts wegen der starken Schmerzen nicht schlafen, vertraut man auf diese Botschaft und lässt sich operieren. Dann sollte man sich auch operieren lassen, denn dadurch können die durch Überreizung der Nerven in der Knochenhaut ausgelösten Schmerzen nicht mehr auftreten. Etwas besser gehen kann man dann auch, da die ebenfalls durch den Schmerz verursachten Kompensationen langsam verschwinden. Richtig gehen kann man dann aber nur in Ausnahmefällen.

Das ist auch erklärlich, da eine wesentliche Ursache der Schmerzen, falsche Bewegungsmuster und damit falscher Muskeleinsatz, durch die Endoprothese nicht behoben werden. Die richtigen Bewegungsabläufe und vor allem den richtigen Muskeleinsatz muss man erlernen, wenn man irgendwann mal wieder richtig gehen können will. Auch wenn man weiteren Operationen vorbeugen will, muss man das. Das erklärt sich daraus, dass nur bei richtigem Muskeleinsatz der Stoffwechsel im Knochen auch überall dort stimuliert wird, wo es notwendig ist, damit die Endoprothese sich weder am Oberschenkelschaft noch in der Hüftpfanne lockert. Ansonsten sind weitere Operationen in relativ kurzen zeitlichen Abständen vorprogrammiert. Dann kann es einem so ergehen, wie zum Beispiel auf der Seite    Hüft–, Rücken–, Knie– und Gangschule   unter „Resonanz“ von zwei Kursteilnehmerinnen beschrieben.

[BLD06] (ehemals E11) © by Henriette van der Wall, 14. Juli 2009, Alle Rechte vorbehalten






Positives Trendelenburg-Zeichen – ein neuer Definitionsversuch

Zuerst die Lehrmeinung – Zitat:
„Beim Einbeinstand kontrahiert sich die Becken- und Trochantermuskulatur (Mm. glutaei medius et minimus) der Standseite und hebt das Becken auf der nicht unterstützten Seite bzw. hält es in nahezu horizontaler Stellung.
Dieser Vorgang ermöglicht ein harmonisches Gehen. Sind die Mm. glutaei erkrankt (Muskelschwäche auf Grund einer Hüftluxation, Lähmung, Zustand nach mehreren Hüftgelenksoperationen) mit einem entsprechenden Funktionsverlust, so sind sie nicht mehr in der Lage, das Becken auf der Standseite zu halten. Das Becken neigt sich zur gesunden, nicht belasteten Seite (Trendelenburg–Zeichen positiv).



Quelle: Dr. med. Klaus Buckup, Orthopädische Klinik Dortmund: Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln; Untersuchungen – Zeichen – Phänomene, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 2000

Die ungefähre Lage der Mm. glutaei medius et minimus ist blau gekennzeichnet.

Kommentar
Man schlussfolgert aus dem Absinken des Beckens auf der Spielbeinseite, dass die Mm. glutaei medius und minimus auf der Standbeinseite zu schwach sind, um das Becken nahezu horizontal halten zu können. Da diese Muskeln außen liegen, kann man sie ertasten und auch ihre mehr oder weniger vorhandene Spannung nachvollziehen und nach Janda auch einigermaßen messen. Dadurch richtet man sein Augenmerk auf diese äußeren, wahrnehmbaren Muskeln. Daraus resultieren dann Erklärungsmuster und irgendwann Lehrmeinungen. Das heißt, die oben zitierte Definition geht vom äußeren Erscheinungsbild aus.

Könnte man mit einer so gefundenen Definition die Probleme beheben, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Da es trotz Diagnose und Therapie entsprechend dieser Definition viele ungelöste Probleme und falsche Bewegungsabläufe gibt, muss man sich fragen, ob man sich nicht zu sehr vom äußeren Schein hat leiten lassen, anstatt nach dem Wesen zu suchen.
Hier nun der Versuch, das Trendelenburg-Zeichen von seinem Wesen her zu definieren:

Variante 1 = Definition des Trendelenburg-Zeichens nach meiner Definition des Einbeinstandes vom 10. September 2004:

Wenn die das Becken beim Einbeinstand nach oben drückenden Muskeln Mm. obturator internus, gemellus superior, gemellus inferior, obturator externus sowie quadratus femoris schwächer sind als für das jeweilige Körperteilgewicht notwendig, und damit nicht die genügende Spannung, also Kraft, erzeugen können, dann sackt das Becken beim Einbeinstand auf der Standbeinseite ab.

Variante 2 = Definition des Trendelenburg-Zeichens nach meiner Definition des Einbeinstandes vom 20. Juli 2009

Wenn die Spannung der kleinen inneren Glutaeen (Mm. obturator internus, gemellus superior, gemellus inferior, obturator externus sowie quadratus femoris) nicht ausreicht, um den für die anderen Gesäß– sowie Bein- und Rückenmuskeln auf der Seite des Standbeines notwendigen Spannungsimpuls und damit die notwendige Hüft– und Knieblockade auf der Seite des Standbeines als Voraussetzung der gemeinsamen festen Säule Becken, Ober– und Unterschenkel sowie einer leichten Grundspannung der Rückenmuskulatur auszulösen, dann sackt das Becken beim Einbeinstand auf der Standbeinseite ab. Das kann ein Außenstehender ohne technische Hilfsmittel durch das Absinken des Beckens auf der Spielbeinseite wahrnehmen. Der Betroffene spürt das Absacken des Beckens auf der Standbeinseite.


[BLD05] (ehemals A/D4) © by Henriette van der Wall, 20. Juli 2009, Alle Rechte vorbehalten






Wirken die vorderen Fasern des M. glutaeus medius an der Hüftbeugung mit?

Im Taschenatlas der Anatomie, Band 1: Bewegungsapparat von Werner Platzer, 6. überarbeitete Auflage von 1991, Georg Thieme Verlag, steht auf Seite 232: „...Der M. glutaeus medius wirkt mit dem vorderen Teil seiner Fasern als Innenrotator und Beuger, mit dem hinteren Teil als Außenrotator und Strecker, ...“.

Hier wird an Hand von 2 Schemazeichnungen untersucht, ob das stimmt. Beginnen wir mit dem Stand:



Es sind die vordere und die hintere Faser des M. glutaeus medius dargestellt, sie haben hier der Einfachheit halber dieselbe Länge.
Beim Anbeugen des rechten Beines gelangt die Spitze des Trochanter major nach hinten, da sie sich oberhalb des Drehpunktes auf der Oberschenkelachse befindet. Die vorderen Fasern werden passiv gedehnt, hier durch einen roten Strich dargestellt. Das heißt, diese Fasern kontrahieren nicht.
Da der M. glutaeus minimus unterhalb des M. glutaeus medius gelegen ebenfalls an der Spitze des Trochanter major ansetzt, gilt für ihn dasselbe.


Fazit:
       Die vorderen Fasern der kleinen Glutaeen wirken nicht an der Hüftbeugung mit!


Nach den Beobachtungen der letzten Monate behaupte ich sogar:       

Die vorderen Fasern der kleinen Glutaeen wirken an der Hüftstreckung mit!

Gerne würde ich mich darüber mit einem Mechanikfachmann unterhalten! Bitte melden Sie sich bei mir, am besten per   Mail

Diesen Kommentar können sie sich   hier    als pdf-Datei herunterladen.

[BLD04] (ehemals A/3) © by Henriette van der Wall, 28. Juni, 14. November 2009 und 31. August 2018. Alle Rechte vorbehalten






Oberer und unterer Totpunkt beim Gehen – ein Definitionsversuch

*Totpunkt, toter Punkt, Totlage,* diejenige Stellung eines Bewegungsmechanismus, bei der eines seiner Glieder durch Richtungsumkehr in Ruhe ist. Insbesondere beim Kurbelgetriebe von Kolbenmaschinen sind der obere (äußere) und untere (innere) Totpunkt die Lagen des Kolbens, bei denen er durch Wechsel der Bewegungsrichtung die Geschwindigkeit Null hat; im oberen Totpunkt ist das Arbeitsraumvolumen eines Zylinders am kleinsten (*Totraum*).
Gefunden in: F.A. Brockhaus GmbH, Mannheim 1993: Brockhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, Neunzehnte, völlig neu bearbeitete Auflage, Zweiundzwanzigster Band Tep - Uer, S. 275
Da dort das Gehen, eine der Grundbewegungen von Lebewesen, nicht thematisiert ist, auch bei Wikipedia nicht gefunden wurde, hier mein eigener Definitionsversuch des Oberen und Unteren Totpunktes beim Gehen:

Beim Gehen bewegt man den Rumpf vom Aufsetzen des Standbeines an bis zu dem Punkt, wo der Körperschwerpunkt die ihm mögliche weiteste Entfernung zum Erdmittelpunkt erreicht, vom Erdmittelpunkt weg. Der Körperschwerpunkt befindet sich dann in verlängerter Linie des Standbeins genau in der Senkrechten zum Erdmittelpunkt. Das ist der Obere Totpunkt. Dort wechselt die Bewegungsrichtung des Rumpfes hin zum Erdmittelpunkt bis zu der Stelle, wo der Körperschwerpunkt die ihm mögliche geringste Entfernung zum Erdmittelpunkt erreicht. Das ist genau in dem Moment, wo das bisherige Spielbein auf den Boden aufsetzt und der Körperschwerpunkt sich (mittig) zwischen beiden Beinen befindet. Das ist der Untere Totpunkt.


[BLD03] (ehemals A/D2) © by Henriette van der Wall, 20. Juni 2009 und 03. April 2010. Alle Rechte vorbehalten






„Die Hüfte“ – herausgegeben von Christian Tschauner

Zeitlich nach Pauwels (1973) haben sich einige Autoren mit der Biomechanik der menschlichen Hüfte beschäftigt. Um es vorweg zu nehmen: Mit dem, was in der entsprechenden Literatur zu finden ist, kann ich Körpererfahrungen und die darauf fußenden theoretischen Überlegungen nicht zusammen bringen. Um das allen Interessenten zugänglich zu machen, habe ich meine Auseinandersetzungen mit der Literatur zur Biomechanik schriftlich festgehalten. Ich beginne mit einigen Absätzen aus dem
Kapitel 3 Angewandte Biomechanik – Dreidimensionale Kräfteanalyse und interaktive Operationsplanung von den Autoren H. Steffan, W. Breitenhuber, F. Sodia. R. Reimann. A. Moser in:
Die Hüfte, herausgegeben von Christian Tschauner, unter Mitarbeit von weiteren 37 Autoren, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1997

Kommentar zum Titel:
Man kann dem Wesen einer Sache nur auf den Grund gehen, wenn man mit der Grundlagenforschung beginnt. Das würde hier heißen, dass man die mechanischen Zusammenhänge bei einem gesunden Menschen mit einem normalen Gangbild untersucht. Er soll hier als Standardfall bezeichnet werden. Erst dann sollte man sich mit den Abweichungen, den Krankheiten und der Hüftendoprothesenforschung beschäftigen. Es muss bezweifelt werden, ob man mit dem hier dokumentierten Forschungsansatz zum Wesen der Sache vordringen kann.

Nun zu den Darstellungen der Autoren und meine Kommentare im einzelnen:

Zitat:
„Die wichtigste Aufgabe des Hüftgelenks besteht darin, die Kräfte zwischen den Beinen und dem übrigen Körper zu übertragen und gleichzeitig die notwendige Bewegungsfreiheit zu garantieren.“

Kommentar:
Es wird nicht dargestellt, welcher Bereich unter Hüftgelenk verstanden wird. Das wird der Auslegung des Lesers überlassen. Zu einem Gelenk gehören doch grundsätzlich mindestens zwei feste Körper, die durch andere Körper so miteinander verbunden sind, dass jeweils einer der festen Körper durch Kraft in eine oder mehrere Richtungen bewegt werden kann. Das heißt, beim Hüftgelenk muss man grundsätzlich die Knochen, Bänder, Muskeln mit ihren Sehnen als Einheit betrachten. Es wird nicht dargestellt, aus welchen Materialien mit welcher Struktur „das Hüftgelenk“ besteht und damit nicht, welchen Kräften aus welcher Richtung an welchen Stellen es im Standardfall widerstehen kann.
So wird auch nicht klar, wo und wodurch die Kräfte zwischen den Beinen und dem übrigen Körper im Standardfall übertragen werden. Es wird auch nicht dargestellt, wodurch die notwendige Bewegungsfreiheit „garantiert“ wird. Ganz abgesehen davon, dass es in der Natur keine Garantien gibt, sondern Gesetzmäßigkeiten.

Könnte es nicht im Standardfall zum Beispiel so sein:
Sowohl beim Stehen als auch in der Bewegung wirken nur sehr geringe Kräfte unmittelbar auf den Bereich zwischen Hüftkopf und Gelenkpfanne. Diese werden durch den Knorpel abgefedert. Die wesentlichen Kräfte werden über Bänder und Muskeln mit deren Sehnen direkt auf definierte Stellen in den Knochen abgeleitet, wodurch die wesentlichen Kraftflüsse am Gelenk vorbeigehen. Würde man diese Hypothese genauer untersuchen, dann hätte man wahrscheinlich auch die Erklärung für folgende Abweichungen vom Standardfall: Außerdem würde man dann als erstes und wichtigstes darauf orientieren, die das Hüftgelenk umgebenden Muskeln so zu trainieren, dass sie die erforderliche Kraft (wieder) erlangen.

Zitat:
„Die Biomechanik bildet dabei das Bindeglied zwischen biologischer und mechanischer Betrachtung des Gelenks. Eine der wichtigsten Aufgaben der Biomechanik besteht darin, die betrachteten biologischen Teilsysteme zu abstrahieren und in ein technisches Ersatzsystem abzubilden.“

Kommentar:
Hat die Biomechanik nicht vielmehr die Aufgabe, mechanische Gesetzmäßigkeiten in Lebewesen zu erkennen, darzustellen, zu berechnen sowie daraus Schlussfolgerungen sowohl für das Lebewesen als auch für technische Anwendungen zu ziehen? So verstehe ich zumindest Mattheck. Nicht erklärt wird, was hier unter biologischen Teilsystemen verstanden wird.

Zitat:
„Das Hüftgelenk wird hierbei meist als Kugelgelenk idealisiert, das durch insgesamt 27 Muskeln bewegt und im Gleichgewicht gehalten wird.“

Kommentar:
Ein Gelenk selbst wird nicht bewegt, auch das Hüftgelenk nicht. Bewegt werden durch geeignete Materialien oder Konstruktionen bewegbar miteinander verbundene feste Körper. Was nützt es anzugeben, wie viele Muskeln die durch das Gelenk bewegbar miteinander verbundenen Halterungen im Gleichgewicht halten? Wäre es nicht viel wichtiger, anzugeben, welche Muskeln an welcher Bewegung in welcher Weise mitwirken? Bewegung ist immer konkret und wird jeweils durch eine Auswahl von Muskeln erzeugt. Die Anzahl von 27 Muskeln ist so hoch, dass man als erstes einschränken muss. Eine solche Möglichkeit besteht darin, aus komplexen Bewegungsabläufen wenige wichtige Momentaufnahmen heraus zu greifen, die man jeweils gesondert untersucht. Erst in einem weiteren Schritt sollte man komplexe Bewegungsabläufe untersuchen. Von einem großen Logiker des 20.Jahrhunderts stammt der Ausspruch:
„Wer zu wenig Gründe hat, geht in die Irre, wer zu viele Gründe hat, muss in die Irre gehen.“

Zitat:
„Die Geometrie des Gelenks in Verbindung mit den Muskeln samt Ursprüngen und Ansätzen beeinflussen hierbei wesentlich die Beweglichkeit, Funktionalität, aber auch die Beanspruchung des Gelenks.“

Kommentar:
Gemeint ist vermutlich die Beanspruchbarkeit des Gelenks.

Zitat:
„Vor allem in der Hüftendoprothesenforschung und –entwicklung spielt die Richtung und die Größe der resultierenden Gelenkskraft eine bedeutende Rolle. Diese resultierende Gelenkskraft ändert je nach Standposition und Belastungssituation sowohl ihre Richtung als auch ihre Größe. Die Ermittlung der Kräfte sowie die Untersuchung möglicher Gleichgewichtszustände bilden eine wesentliche Aufgabe für die Biomechanik.“

Kommentar:
Anknüpfend an die Vorbemerkung hier noch mal zur Erinnerung: Ausgangspunkt muss der Standardfall sein. Hat man diesen richtig untersucht, ist die Wahrscheinlichkeit, richtige Schlussfolgerungen für verschiedene Anwendungsgebiete abzuleiten, wesentlich größer als bei umgekehrter Reihenfolge. Bei dem hier verfolgten Ansatz wird der Endoprothese ein sehr großer Stellenwert eingeräumt. Wenn man die Wirkungsweise einzelner Muskelgruppen dabei nicht berücksichtigt, können die Endoprothesen oftmals nur helfen, den Leidensdruck zu vermindern. Das Gangbild von vielen Patienten nach Einsatz von TEP's zeigt, dass die Ursachen – falsche Bewegungsmuster und damit falscher Muskeleinsatz – nicht behoben wurden, sondern sich das Gangbild dadurch nur um den Schmerzfaktor verbessert hat.

Das bedeutet für die Endoprothesenforschung, dass wesentliche Wirkungsfaktoren nicht berücksichtigt werden. Werden nicht die richtigen Muskeln beim Gehen oder beim ausgleichenden Üben ohne Belastung betätigt, dann wird der Stoffwechsel an den Ursprungs– und Ansatzflächen der Muskeln in den Knochen nicht ausreichend stimuliert. Das heißt, die Festigkeit der Knochen, die vermutlich bereits vor der Operation nicht ausreichte, nimmt weiterhin ab. Darin liegt wahrscheinlich eine der wesentlichen Ursachen für nach kurzer Zeit bereits eintretende Lockerungen von Endoprothesen. Es beginnt ein langer Leidensweg mit vielen neuen Operationen – ich kenne persönlich einige derartige Fälle. Siehe dazu auch auf meiner Website    www.hueft-ruecken-knie-gang-schule.de

Darüber hinaus müsste die Tatsache, dass man bei ca. einem Viertel der Hüftarthrosen die Ursachen nicht kennt, ebenfalls Anlass sein, die biomechanischen Zusammenhänge beim Standardfall gründlich zu untersuchen.

Zitat:
„Eine der grundlegenden Untersuchungen der Kraftverhältnisse im Hüftgelenk stammt von Pauwels (1973), wobei dieser das Hüftgelenk durch ein zweidimensionales statisches Modell ersetzte und damit die Kraftverhältnisse zu bestimmen versuchte. Er wählte als Referenzstellung den Einbeinstand, von dem er annahm, dass er die Belastung beim langsamen Gehen am besten repräsentiert. Als Ergebnis der zweidimensionalen Betrachtung fand er, dass die resultierende Gelenkskraft R in der Frontalebene um ca. 16° von medial-proximal nach lateral-distal „geneigt“ verläuft.“

Kommentar:
Das zweidimensionale statische Modell von Pauwels hat zusammen mit der von ihm definierten Referenzstellung, dem Einbeinstand, den Vorteil, dass damit versucht wird, mechanische Zusammenhänge in einer wesentlichen Phase des Bewegungsablaufes zu erkennen. Wie die Autoren hier darauf kommen, dass es sich dabei nur um das langsame Gehen handeln könnte, wird nicht begründet. Bei jedem Schritt, ob beim Gehen oder beim Laufen, gibt es grundsätzlich jeweils eine Standphase. Pauwels nun versucht darzustellen, welche Kräfte genau zu diesem Zeitpunkt wirken, wo der Obere Totpunkt in der Standphase erreicht ist.

Folgende Fragen ergeben sich zur Darstellung von Pauwels: Bei jedem Schritt muss in der Standphase der Obere Totpunkt überwunden werden. Wenn die Muskeln nicht die dafür erforderliche Kraft haben, dann endet die Standphase vor dem Überwinden des Oberen Totpunktes. Deshalb muss genau dieser Moment des Bewegungsablaufes in Bezug auf die Mitwirkung verschiedenster Muskelgruppen und in Bezug auf die Kraftflüsse untersucht werden.

Es ist schade, dass Pauwels nicht die gesamte Standphase vom Aufsetzen des Standbeines auf den Boden bis zum Abheben vom Boden untersucht hatte. Das ist umso bedauerlicher, als gerade die systematische Beschäftigung mit dieser Phase des Bewegungsablaufes den Schlüssel für viele andere Fragen geben würde.

Zitat:
„Bei dieser Betrachtung ergeben sich mehrere Probleme, nämlich, dass die Gelenkskraft einerseits nur zweidimensional und statisch ermittelt wurde und andererseits nicht bekannt ist, inwieweit der betrachtete Belastungszustand als belastungsrelevant betrachtet werden kann. Abhandlungen neuerer Zeit, beispielsweise von Bombelli (1993) oder Tschauner (1995) gehen davon aus, dass andere Bewegungszustände eher als biomechanisch relevant anzusehen sind: Beim gesunden Hüftgelenk bedeckt die subchondrale Verdichtungszone („sourcil“ nach Pauwels) des Pfannendaches den Hüftkopf annähernd horizontal. Da anzunehmen ist, dass sich die Feinarchitektur des knöchernen Pfannendaches nach den im zeitlichen Verlauf überwiegenden Kraftrichtungen entwickelt und ausrichtet, schlussfolgern sie, dass die im Mittelwert relevante Kraftrichtung vorwiegend vertikal nach cranial gerichtet sein müsste.“

Kommentar:
Diese Schlussfolgerung steht losgelöst im Raum und wird nicht näher untersucht. Schade! Hatten Bombelli und Tschauner doch damit zu einem Schritt angesetzt, den sie leider nicht gemacht haben. In Verbindung mit der Untersuchung des von Pauwels als Referenzstellung definierten Einbeinstandes wären sie der tatsächlichen mechanischen Wirkungsweise vermutlich sehr nahe gekommen. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass man bei einem derartig wichtigen Thema – die bereits Mitte der 90er Jahre hohe Anzahl von jährlichen Endoprothesen–Operationen für Hüften ordnet dieses Thema in diese Kategorie ein – diese Überlegungen nicht bis zum Ende führt. Zumal Erkenntnisse über die biomechanischen Zusammenhänge in der Hüfte vermutlich auch zu Erkenntnissen derartiger Zusammenhänge in den Knien führen würden.

Zitat:
„Das Problem der resultierenden Gelenkskraft ist ein dreidimensional–dynamisches und kann aus der Reduktion auf die zweidimensionale Betrachtungsweise eines Beckenübersichtsröntgens allein nicht vollständig gelöst werden. Es soll daher versucht werden, im folgenden eine dreidimensionale Betrachtungsweise zu entwickeln und anzuwenden.“

Kommentar:
Es wird nicht begründet, warum das Problem der resultierenden Gelenkskraft ein dreidimensional–dynamisches sei und damit auch nicht, warum eine dreidimensionale Betrachtungsweise zu entwickeln und anzuwenden ist. Den größten Anteil an den menschlichen Bewegungen haben zweidimensionale Bewegungen – Gehen, Laufen, Hinsetzen, das Hinauf– und Hinuntersteigen auf Treppen, das Fahrradfahren. Dann kämen Sexualbewegungen und das Tanzen. Für die Erkenntnis mechanischer Zusammenhänge müssten diese Bewegungen also die ersten sein, die man untersucht. Weitere Bewegungsabläufe beziehungsweise Momentaufnahmen daraus sollten erst danach untersucht werden. Fragen des Materials, der Festigkeit und Struktur von Endoprothesen sowie Operationsplanungen sollten erst darauf aufbauend untersucht werden.

Diesen gesamten Kommentar können Sie sich    hier   als pdf-Datei herunterladen

[BLD02] (ehemals A/D1) © by Henriette van der Wall, 05. Juni 2009, Alle Rechte vorbehalten





Prellung des großen Gesäßmuskels   oder
              Wird der große Gesäßmuskel zum Gehen benötigt?

Um diese Frage zu beantworten, werfen wir als erstes einen Blick in die Literatur. Stellvertretend seien hier Kapandji und Weineck (siehe dazu auch unter „Biomechanik“) genannt.

Kapandji schreibt in seinem Buch Biomechanik auf Seite 42: „Bei normalem Gang wird das Hüftgelenk allein durch die ischiocruralen Muskeln (die rückwärtigen Beinmuskeln) gestreckt, der M. glutaeus maximus (der große Gesäßmuskel) bleibt unbeteiligt. Beim Laufen,Springen und Bergsteigen jedoch spielt der M. glutaeus maximus eine entscheidende Rolle.“

Quelle: Prof. Dr. med. Ibrahim A. Kapandji, Chirurg, ehem. Direktor der Chirurgischen Klinik Paris: Funktionelle Anatomie der Gelenke Schematisierte und kommentierte Zeichnungen zur menschlichen Biomechanik, Band 2, 3. unveränderte Auflage, Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1999, S. 19
Übersetzung von: Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Koebke, Zentrum für Anatomie Universität Köln

Weineck stellt in seinem Buch Sportanatomie den Bewegungsablauf des Gehens in fünf Phasen dar. Dabei zeigt er anhand von Abbildungen, dass sich der große Gesäßmuskel an folgenden Phasen innerhalb des Bewegungsablaufes „Gehen“ beteiligt: Quelle: Prof. em. Dr. med. Dr. phil. habil. Jürgen Weineck, Institut für Sportwissenschaft der Universität Erlangen – Nürnberg: Sportanatomie, 16. Auflage, 2003, SpittaVerlag GmbH & Co. KG., S. 231

Das bedeutet: Diese beiden Auffassungen sind nicht deckungsgleich, sondern stehen diametral entgegengesetzt zueinander.

Daraus ergeben sich mehrere Fragen:
Aus meinen Beobachtungen und Selbstversuchen kann ich die Darstellung von Weineck im wesentlichen bestätigen, obwohl nicht gezeigt wird, wie stark die Spannung im großen Gesäßmuskel in der jeweiligen Phase ist.

Jeder, der mal gestürzt ist und sich eine Verletzung, zum Beispiel eine Prellung auf einer Gesäßhälfte, zugezogen hat, weiß, dass er dann nicht richtig oder eventuell sogar ein paar Tage lang überhaupt nicht gehen konnte, weil das Bealsten des Gr0ßen Gesäßmuskels sehr starke Schmerzen verursachte, die erst nach mehreren Tagen allmählich nachließen.

Fazit:
Das ist durchaus als Aufruf zu verstehen, damit nicht nur Leistungssportler, sondern auch normale Bürger die richtige Diagnose und Therapie bekommen können.

Nachbemerkung: Den TeilnehmerInnen meiner Hüft–, Rücken–, Knie– und Gangschule empfehle ich, sich bei sportlichen Männern das Muskelspiel der Gesäß– und rückwärtigen Beinmuskeln anzusehen, um ein Gefühl für diese Muskulatur zu bekommen. Jungen Mädchen oder Frauen hinterher zu sehen bringt da wenig, da die Muskulatur bei ihnen hormonell bedingt weich eingebettet ist.

[BLD01] (ehemals E3) © by Henriette van der Wall, 09. Februar 2009 und 27. Dezember 2010, Alle Rechte vorbehalten





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dann können Sie mir unter    h-vdw@gmx.net   eine eMail schicken.


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Letzte Änderung: 22.11.18